Der kleine Charly, sein Vater und ich

Der kleine Charly,

sein Vater

und ich.

Wütend kommt ein Schulkind angestapft, schleppt schwer an ihrem kleinen Bruder. Sie setzt ihn grob zwischen uns auf die Parkbank, sagt sowas wie “Du bist jetzt dran” zu dem Mann auf der anderen Seite und stampft von dannen.

Kleinkind und Vater starren geradeaus.

Ok. So geht das nicht, wartet mal, ich schubs‘ euch an.

Ich gehe vor dem Kleinen in die Hocke, frage ihn wie er heißt. Er drückt ängstlich seinen Kuschelhasen in sein verrotztes Gesicht. Oje, ich fürchte es wird einiges nötig sein damit diese kleine gequälte Seele wieder heilen kann!

„Er heißt Charly“, kommt es von nebenan, Blick weiter geradeaus.

Aber dann ist der Anfang auch schon da, wie durch Zauberhand (meine?) reckt der Kleine seine Ärmchen zu mir und rutscht sogar etwas nach vorne auf der Bank. Ich nehme ihn hoch, drücke ihn an mein Herz und er weint. Der kleine Körper erbebt schließlich in heftigen Schluchzern in meinen Armen. Der Mann schaut mit weit aufgerissenen Augen zu uns hoch. Ich halte den kleinen Charly, der große muss warten.

Inzwischen bin ich aufgestanden und gehe langsam beruhigend herum, streichle sanft den Rücken des Kindes, mein anderer Arm unter seinem Po. Er wird allmählich ruhiger. Als er seinen Klammergriff um meinen Hals lockert, sehen wir uns an, seine Augen sagen danke. Ich schaue nach Papa, der wirkt nicht mehr ganz so verstört. Also gebe ich ihm den Kleinen. Ganz behutsam nähern wir uns, ich sehe wie ihm wieder das Herz in die Hose rutscht!

„Ich werde dir deinen Sohn auf den Arm geben, denn das braucht er jetzt. DICH. Seinen Vater! Du brauchst ihn nur zu halten, hab‘ keine Angst, ich bleibe bei euch.“

Ich übergebe ihn in Zeitlupe, dann, ein kurzer Moment der Unsicherheit, aber schon gleich leuchten die Beiden in gegenseitiger Dankbarkeit und finden Trost.

Job done.

Dachte ich, bis ich am nächsten Tag (oder später) die Stimme des kleinen Charly im Treppenhaus höre, kurz vorm Überkippen, mit soviel Wut und Enttäuschung schreit er lauter als er eigentlich kann. „Aber du hast es versprochen!“ -PapaCharly, „Ja, aber doch nicht sofort!“ seine Stimme ist nicht minder am Kippen.

Okay, ich ziehe mir meinen Bademantel über und sehe nach den Beiden. Charly will unbedingt Papas Wohnung sehen, JETZT. Papa will nicht, warum auch immer. Eine fremde Frau in seinem Bett ist nicht der Grund, das ist schnell abgeklärt, also sage ich ihm, dass er da jetzt durch muss, denn er hat Charly lange genug vernachlässigt als dass er heute nochmal zurückstecken könnte.

Ich verlange von ihm, den Wunsch des Jungen zu erfüllen. Dass das ein großer Fehler war, wird mir gleich klar. Erst klopft PapaCharly an irgendeine Tür auf dem Flur, behauptet, dass sei sein Badezimmer und er wolle es zuerst zeigen. Ich bin verblüfft, dass er so verwirrt ist von dem Wunsch seines Sohnes die Wohnung von Papa zu sehen oder einfach der Wunscherfüllung?!?

„Da ist doch nicht dein Badezimmer“, lenke ich vorsichtig ein, der Kleine hat meine Hand genommen, nein, er hat seine ganz zart in meine geschoben. Ich spüre seine Angst und schon im nächsten Moment sehe ich auch den Grund dafür. Er muss es vorher gespürt haben. Sein Vater reißt mit solchen Wucht die Tür zu seiner Wohnung auf, dass sie aus den Angeln fliegt! Das hatte ich nicht kommen sehen. Papa ist ebenfalls ein verletztes Kind, das jetzt wütet, aber diese Wut hat bei Charly nichts zu suchen. Ich will ihn schützen, bugsiere ihn ins Bad. Bitte ihn zu warten, lasse die Tür angelehnt, damit er hören kann wie ich seinem Vater erkläre, dass er seine Wut woanders hintragen muss, nicht an seinem Sohn auslassen darf. Punkt.

Zurück im Bad, finde ich Charly in der Wanne, warmes Wasser ist beruhigend. „Darf ich zu dir in die Wanne kommen?“ ein kleines Nicken.

Ganz unten im Haus hören wir die große Eingangstür in Schloss fallen.

RUMS.

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